Der doppelte Terror

Wie man sich als Mensch mit MigrationsVordergrund nach den Anschlägen fühlt
von Anne Chebu

Anschläge nun vor der eigenen Haustür, hier in Bayern, hier in Franken. Würzburg, München, Ansbach. Alles Orte, die man gut kennt. In denen man schon mehrmals war, gelebt hat, Freunde besucht. Diesmal also hier vor der eigenen Haustür, nicht weit weg in Frankreich, Nigeria oder den USA. Es hätte mich treffen können, es hätte dich treffen können. Geht es meinen Freunden gut?

Diese Gedanken kennt wohl jeder. Doch dann kommt auf Menschen mit MigrationsVordergrund noch eine ganz andere Angst hinzu: der Rechtsruck wird nun wieder ein Stück stärker. Und man muss nicht nur Angst vor verrückten Einzeltätern oder sogenannten Islamisten haben, sondern auch noch vor verrückten deutsch-Deutschen, die ihre rassistischen Gedanken nun endlich bestätigt sehen und dem Ganzen durch die nächste Gewalttat Ausdruck verleihen wollen.

Dann geht es los auf Facebook – in der eigenen Freundesliste. Der nächste Terror direkt vor der Haustür, hier auf meinem Facebook-Profil – von Menschen verbreitet, die ich kenne. Fast noch schlimmer als Fotos von den Blumenkränzen vorm Olympia Einkaufszentrum in München zu sehen, ist es, die platten Parolen der Facebook-Freunde zu lesen. Alle geflüchteten Menschen seien nun plötzlich potentielle Attentäter. Deutsche Frauen müssten beschütz werden. Und so weiter und so weiter. Ich will nur vor diesen „Freunden“ beschütz werden und suche, nach unerfolgreichen Diskussionsversuchen, mit dem „Freundschaft löschen“-Button das Weite.

Als Schwarze Frau, als Person of Color, als Mensch mit MigrationsVordergrund spüre ich den Terror von allen Seiten. Auch ich habe ein mulmiges Gefühl, Zug zu fahren, auf Großveranstaltungen zu gehen oder gar in den Urlaub zu fliegen. Doch hinzu kommt noch die Angst davor von Rechtsextremen und Rassisten dafür verantwortlich gemacht zu werden, dass es ein paar mordhungrige Einzeltäter gibt. Ich muss Angst haben, alleine Zug zu fahren, da mich ein Rechter angreifen könnte, ich muss Angst haben, dass nun die nächsten Montagsdemos wieder Zuwachs finden und ich das Haus nicht verlassen kann. Ich muss Angst haben, dass immer mehr Menschen bei der Wahl rechts wählen. Ich muss Angst haben, auf Facebook zu erkennen, mit wem ich da mal befreundet war.

Das ist mein doppelter Terror.

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Allen Verletzten eine gute und schnelle Genesung, allen Angehörigen mein Beileid.

 

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