Warum nicht „N“? – Brauner Mob e.V.

DER BRAUNE MOB
SCHWARZE DEUTSCHE IN MEDIEN UND ÖFFENTLICHKEIT

Warum nicht „Neger“? – Informationen für Redaktionen und Journalismus

historisch:

Das Wort Neger (…) erlangte mit dem Aufkommen des europäischen Imperialismus und „wissenschaftlichen“ Rassismus im 19. Jahrhundert weite Verbreitung, sowohl in der Gelehrten- als auch in der Alltagssprache. Nach dem Ende des Kolonialismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist seine Verwendung stark zurückgegangen und beschränkt sich heute im wesentlichen auf die Vulgär- und Umgangssprache. Mit dem Aufkommen der modernen Rassentheorien kam der Begriff „Neger“ in die deutsche Sprache. Mit dem Rassismus und dem deutschen Imperialismus prägte sich ein zunehmend herablassender Blick auf Menschen dunkler Hautfarbe, den schon Kant, der den Rassebegriff in die deutsche Sprache einführte, in seinen Vorlesungen 1790 -1791 skizzierte: sie seien wie Kinder und benötigten Erziehung, zudem hätten „die Neger von Afrika […] von der Natur kein Gefühl, welches über das Läppische stiege.“ Der deutsche Staat und die Kirche stellten in der Folge die Kolonialisierung Afrikas als eine Schutz- und Erziehungsmaßnahme für die „Neger“ dar. Eine weitere ethnozentristische Zuschreibung ist die der Triebhaftigkeit. In Zeiten zwanghafter Sexualrepression in Deutschland wurden „exotische“ Menschen als sexuell aufgeladen gesehen (vgl. Exotismus). In den Kolonien kam es zunehmend zu Vergewaltigungen durch die Besatzungstruppen, was ein weiterer Anlaß für die antikolonialen Aufstände wurde (vgl. Herero, Nama).*

Es wurde immer wieder gerne – unter Zuhilfenahme damals noch für Wissenschaftlich gehaltener Thesen – darauf hingewiesen, dass „dem Neger“ bestimmte Eigenschaften „angeboren“ seien, etwa:„naturnah“, „wenig intelligent“, „impulsiv“, „wild“. Diese aus heutiger Sicht klar rassistischen und un-wissenschaftlichen An-Sichten trugen ihre Spuren bis in die Zeit des Faschismus und zweiten Weltkrieges, in der sie als Grundlage dafür genommen wurden, schwarze Menschen als „minderwertige Rasse“ zu zwangs-sterilisieren und in Konzentrationslagern zu ermorden. Dass der Begriff „Neger“ für Überlebende und heute lebende schwarze Deutsche nie ohne diffamierenden Beigeschmack bleibt, ist daher durchaus verständlich. Er galt nichtsdestotrotz in Deutschland noch bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts als „salonfähige“ Bezeichnung von Weißen für schwarze Menschen jedweder Herkunft. Die Legitimation des Ausducks „Neger“ ergab sich–gleichwohl er früher durchaus üblich war- nie aus einem Prozess heraus, in dem Selbstbestimmung und –Benennung schwarzer Menschen eine Rolle gespielt haben, sondern aus „Auferlegung“ und aus der „Benennungsmacht“ ausschließlich weißer Deutscher. Anders als etwa in den USA, in denen Selbst-Benennung seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts einen ständigen Prozess des Diskurses und der Emanzipation verschiedener ethnischer Gruppen darstellt, hat dieser Diskurs in Deutschland nie stattgefunden (und wenn in vereinzelten zögerlichen Ansätzen, dann stets unter Ausschluss der betroffenen Gruppe). „Neger“ genannt zu werden, geschieht zumindest für die Generation der heute jungen Erwachsenen bereits ausschließlich in beleidigendem und exotierendem Kontext. „Negro“, „African-American“, „black“, „white“, „European“, „Caucasian“, der ständige Prozess, den die USA in dieser Hinsicht durchlaufen, ist ein gutes Zeichen dafür, dass die Öffentlichkeit dieser Nation sich der Lern- und Emanzipations-Arbeit und dem Lauf der Zeit nicht verweigert hat. Niemand würde diese demokratisierende Aufarbeitung ernsthaft als Zumutung empfinden; sie wird vielmehr wahrgenommen als notwendige konstante Forschungsarbeit und Heilung der Sprache einer ganzen Nation. Das Recht der Haupt-Gruppe auf diffamierende Benennung aller anderen Gruppen, ein sogenanntes „Herren-Recht“, wird in Deutschland jedoch noch heute bisweilen angestrengt verteidigt.

psychologisch

Ein wichtiges Identifikations- und Identitätsmerkmal jedes Menschen, jeder Familie, jedes Volkes, jedes Vereins und jeder Gruppe ist deren Bezeichnung (die offen oder versteckt bereits viele Assoziationen auslöst). Deshalb ist das Recht auf Selbstbestimmung des eigenen Namens auch eines der am härtesten verteidigten aller Völker und Gruppierungen. Minderheiten, denen dieses Recht nicht zugestanden wird, leiden darunter und wehren sich gegen diese Bevormundung und Form der Unterdrückung. Schon immer war das Verbot, den selbst gewählten Namen zu tragen, ein wirksames Mittel von Eroberern und Besatzern jedweder Kultur, Herkunft und Historie, ein unterdrücktes Volk zu zermürben und zu demütigen. Ähnlich wie das Verbot der eigenen Schrift oder Sprache hat es Identitätsverlust und Marginalisierung zum Ziel. Deshalb wehren sich schwarze Menschen in Deutschland gegen das „Recht“, sie mit einem Begriff zu beleidigen, der ausschließlich despektierlicher Natur ist und in den Sprachgebrauch auch durchaus als solcher Eingang gefunden hat.

Mit dem Begriff „Neger“ sind eine Vielzahl von rassistischen und eurozentristischen Stereotypen verbunden. Diese Bilder oder Projektionen haben vor allem mit eigenen Versagungen und Ängsten zu tun: Sexualrepression, Entfremdung und/oder Ohnmachtserfahrungen sind psychodynamische Grundlagen für das Suchen von vermeintlich Schwächeren, um die eigene Person aufzuwerten. Einige Elemente des eurozentristischen Blicks auf die „Neger“ sind:

Bis heute werden diese Bilder des „Negers“ in Deutschland und unter anderem in der Werbung und in anderen Medien reproduziert. *

linguistisch

Der Begriff „Neger“ wurde in Zusammenhang mit dem Kolonialismus im 17. Jahrhundert aus dem französischen ’nègre‘ und dem spanischen ’negro‘ als Nachfolgeformen des lateinischen Wortes ’niger‘ (’schwarz‘) entlehnt. *

Oft stößt man bei der Rechtfertigung für die kritiklose Verwendung des Wortes „Neger“ auf Konstrukte, die auf dem Versuch der Herleitung etwa eines „Gewohnheitsrechtes“ für ebendiese Verwendung basieren. Fast ebenso häufig wird die „linguistische“ Information hierzu strapaziert, das Wort „Neger“ leite sich lediglich aus „negro“ (=schwarz) ab. Da das Wort „Negro“ sich aber bis dato zu keiner Zeit im deutschen Sprachgebrauch befand und schwarze Menschen auch nicht als „Negro“ bezeichnet wurden, sondern als „Neger“, ist dieser Rechtfertigungsversuch hinfällig. Die Alltagsrealität zeigt, dass im 20. Jahrhundert der Gebrauch des deutschen „Neger“ in Übersetzung, Bedeutung und Sprachgebrauch vielmehr vergleichbar ist mit dem englischen „Nigger“ (ebenfalls eine Abwandlung eines ursprünglich „harmlosen“ Wortes). Es erstaunt im übrigen, dass Einzelne heute noch versuchen, die Verwendung von Bezeichnungen zu legitimieren, die die benannte Gruppe bekanntermaßen geschlossen als Beleidigung auffasst. Diese Information allein sollte eigentlich schon Anlass genug sein, eine Bezeichnung zu wählen, die nicht diskriminiert und keine Rassismen enthält. Im Falle von Roma und Sinti, die heute im gesellschaftlich aufgeklärten Konsens selbstverständlich nicht mehr als „Zigeuner“ bezeichnet werden, ist eine selbst-bestimmte und nicht-rassistische Benennung ja auch unwidersprochen zumutbar. Dieses Grundrecht auf selbst-Benennung (unter das auch die Ablehnung beleidigender Benennungen fällt) steht neben allen anderen Gruppen zweifellos auch schwarzen Menschen zu. Als Pendant zu „Weiße“ (auf deren exotisierende Benennung in deutschen Publikationen nebenbei generell ja auch verzichtet werden kann) gilt im Übrigen keinesfalls „Neger“ sondern „Schwarze“.

Schon allein die Tatsache, dass für weiße Menschen keine pauschal despektierliche Benennung existiert, die zu Beleidigungen taugt, sollte hellhörig machen und Angehörige dieser Gruppe für alle Angelegenheiten der Benennung anderer Hautfarben sensibilisieren.

journalistisch

Wurden früher in kolonial-Berichterstattungen zumeist pauschal alle schwarzen Bewohner Afrikas als „Neger“ bezeichnet, so verstehen wir heute, dass dieser Ausdruck keinerlei tatsächliche Information enthält oder darstellt. Der Begriff sagt – ähnlich übrigens wie der Begriff „Schwarzafrikaner“ – nicht das geringste aus über Herkunft, Nationalität oder Background einer Person oder eines Volkes.

Vielmehr handelt es sich hierbei meistens eher eine Methode, zu kaschieren dass man nichts über die Person oder das Volk recherchiert hat und ist – neben einer Beleidigung für die so „bezeichneten“ Menschen- durchaus kein Zeichen von seriösem Journalismus. Der bisweilen vorgetragene Einwand, dass es ohne derartige Unpersonen-Ausdrücke in Berichterstattung nicht ginge, ist bei genauerer Betrachtung hinfällig: Eine vergleichbare Bezeichnungsmöglichkeit einer willkürlich konstruierten Gruppe ist beispielsweise bezüglich Menschen südost-asiatischer Herkunft so einfach gar nicht möglich (sie werden weder als Schwarze noch als Weisse wahrgenommen und kommen natürlich auch nicht alle aus demselben Land), deswegen wird jede dieser Personen oder jedes der Völker ganz selbstverständlich beschrieben: nach Herkunft („Pakistan“) oder persönlicher Geschichte („Engländer und Enkel indischer Einwanderer“). Niemand hat sich in diesen Fällen bisher darüber beschwert, dass es zu kompliziert sei, Menschen als Menschen beschreiben zu müssen. Würde in einem Artikel etwa erklärt, aus welchen Ethnien oder Menschen welcher Herkunft oder Kultur eine Gruppe besteht, würde dies durchaus einen Informationswert darstellen. Die pauschale Aussage, dass es sich um „Neger“ handle (als würde dies Recherche über die Herkunft oder Geschichte ersetzen), spiegelt Information vor, wo in Wirklichkeit doch nur das Hervorrufen sterotyper Bilder geschieht.

rassistisch

Es fällt auf, dass in nahezu allen Publikationen, die ab dem Ende des 20. Jahrhunderts das Wort „Neger“ noch kritiklos verwenden, gleichzeitig auch anderer offen rassistischer Tenor festgestellt werden kann. Dies ist ein Indiz dafür, dass dieser Ausdruck sehr wohl zumindest von Journalisten als das begriffen wird, was er in der Tat darstellt: eine Beleidigung. Wie schon auf dem Schulhof jemand mit „Neger“ ausschließlich dann bezeichnet wird, wenn er oder sie beleidigt oder beschimpft werden soll, ist seit vielen Jahren im gesellschaftlichen Konsens verankert, dass diese Vokabel als sachliche Bezeichnung von Menschen wegen ihres rassistischen Hintergrundes nicht taugt. Keinem ernstzunehmenden Journalisten oder Redakteur würde es heutzutage noch einfallen, Menschen als „Neger“ zu bezeichnen. Dass vereinzelte AutorInnen einem gewissen reaktionären Drang nachgeben und dennoch darauf bestehen, ihr vermeintliches Recht zu verteidigen, beleidigende Bezeichnungen von Menschen anderer Hautfarben oder Ethnien zu publizieren, sollte die zuständigen Redaktionen hellhörig machen und zu raschem und vernunftgeleitetem Einschreiten bewegen.

Die Deutschlands Öffentlickeit mit-formenden und -aufklärenden Organe, die Medien, sollten Rückschritte im ohnehin recht zähen und schwierigen Kampf gegen Rassismus nicht dulden oder gar initiieren. Aufgrund rassistischer Vorurteile wurden und werden noch heute jährlich zahlreiche schwarze Menschen in Deutschland Opfer von Gewaltverbrechen und täglich real erlebten Rassismen, Diskriminierungen und Anfeindungen. Dagegen zu steuern heißt auch und vor allem: die Wurzeln des Rassismus mit ihrer kolonialen Stereotypisierung auszumerzen zu versuchen, und sich einer fairen Darstellung aller Mitglieder der ethnischen Realität Deutschlands zu verschreiben.

Ergänzende Literatur:

http://de.wikipedia.org/wiki/Neger

http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzafrikaner

Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk von Susan Arndt, Antje Hornscheidt

Susan Arndt (Hrsg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland.Unrast-Verlag 2001, 463 S.,

black book, Paperback, IKO-Verlag Fft/Main, ISBN 3-88939-745-X, 380 Seiten

(diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

„Worte sind bestimmt durch ihren Gebrauch in der Sprache“

(Wittgenstein)

© der braune mob e.V. Deutschland 2006 — www.derbraunemob.info

* © www.wikipedia.org